Schettler

Vorgestellt: Johannes Schettler - Erzeuger und Verbraucher

Johannes, du bist auch ein EVG-Urgestein, oder?
Allerdings!! Noch vor der Gründung der SV-Koop war ich bei den Öko-Seminaren im Parzivalhof in Quelkhorn mit Jutta Draub und Ulla Ludewig - das war so 1975-77.

Hatten deine Eltern schon Landwirtschaft?
Nein, ich bin in Münster aufgewachsen. Aber seit ich sechs Jahre alt war, hatte ich einen Freund, der auf einem Bauernhof lebte, und da war ich ganz oft. Ich wollte Landwirtschaft studieren – oder Archäologie, aber meine Mutter meinte, das seien brotlose Künste. Also hab ich erst mal die Hochschule für Nautik in Bremen besucht, dazu gehörte ein eineinhalbjähriges Praktikum auf See als Kapitänsanwärter und Offiziersassistent.
Danach hab ich Biologie studiert mit Diplomabschluss, war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni und weil ich zwei Jahre lang eine feste Stelle hatte, bekam ich danach lange Zeit ein gutes Arbeitslosengeld und später Arbeits­losenhilfe.

Wie ging es weiter?
Ende der 70iger Jahre sollte das Hollerland bebaut werden. In der Bürgerinitiative Hollerland haben wir richtig tolle Aktionen gemacht, z. B. haben wir uns eine Nacht lang in den Bäumen angekettet. Wir haben erreicht, dass bis heute der größte Teil unter Naturschutz steht! Die Landwirte zogen sich deshalb zurück. Da haben wir die Rindergilde e .V. gegründet, Gerold Jansen war damals im Deichverband. Wir hatten unsere Tiere auf gepachteten Flächen, z. B. eine direkt am Kuhgraben.
Als erste Kuh hatte ich Kitty* und zwei weitere tragende Färsen. Netterweise haben sie meist Kuhkälber gekriegt, so dass ich schnell fünf Tiere hatte.

Was ist eigentlich eine Färse?
Nach ungefähr einem Jahr nennt man weibliche Rinder Färsen. Wenn sie tragen, tragende Färsen, und nach dem ersten Kalben Kuh.

Aha! Hattest du denn einen Hof?
Nein, nein, ich wohnte in einer Doppelhaushälfte in Horn-Lehe und hieß deshalb „Johann-ohne-Land“. Aber einen Betrieb hatte ich angemeldet. Habe weitere Galloways zugekauft, irgendwann hatte ich 30 Tiere im Hollerland. Damals kostete eine Gallowaykuh 4000 DM.
1977 hab ich geheiratet und Ulrich wurde geboren. Wir haben die Freie Kinderschule mit gegründet, die zum Körnerwall umzog. Nach der Trennung zehn Jahre später blieb Uli bei mir. Er hat Architektur studiert, gleich eine gute Stelle bekommen und lebt mit seiner Frau und meinen beiden Enkelkindern in Offenburg.
Dann hab ich etliche Jahre versucht, auch mit anderen zusammen, einen Hof und Land zu kriegen. Ich brauchte ja immer finanzielle Unterstützung bei einem Hofkauf. Dann kam der Kampf um den Hof Kapelle an der Kleinen Wümme....
der wurde monatelang von einer Gruppe junger Leute besetzt – das wäre toll gewesen – aber der Hof stand nicht unter Denkmalschutz, obwohl es eines der ältesten Bremer Häuser war, um 1300 urkundlich erwähnt, also schon im zwölften Jahrhundert gebaut! Der Besitzer hat es dann abgerissen, um seine Ruhe zu haben.
Ich war weiter ständig auf der Suche nach einem Hof und Land, denn im Winter ist das Hollerland zu nass. Ich konnte Land im Jürgensland zupachten für den Winter. Mit anderen, die ich vom Biologiestudium kannte, haben wir einen Hof gesucht. Als Genossenschaft konnten wir den Hof in Hagen-Grinden kaufen, wo jetzt die Wesermühle drin ist.
Da haben wir eineinhalb Jahre gewohnt, aber es gab heftige Auseinan­dersetzungen innerhalb der Gruppe, die mit viel Geld im Rücken haben sich durchgesetzt. Ein Jahr lang hab ich gegenüber in einem Zirkuswagen gelebt und mit einigen aus der Gruppe weitergesucht. Dann hab ich ungefähr sieben Jahre in einer WG auf einem kleinen Hof in Schwarme am Erlenweg gelebt. In der Zeit hab ich meinen Nebenerwerbs­betrieb zum Haupterwerb gemacht. 2008 hab ich zusammen mit meiner damaligen Freundin diesen Hof hier gekauft.

Wer lebt jetzt auf deinem Hof?
Ich lebe zusammen mit Susa, gelernte Hotelfachkraft, und meinem Pflegesohn Can. Er ist 17 Jahre alt, macht demnächst seinen Realschulabschluss nach und packt hier richtig gut mit an. Und mit den Tieren: 55 – 60 Rinder, z. Z. 14 Kälber (Can: Das letzte wurde vor zwei Tagen geboren, dem müssen wir noch einen Namen geben!), Hühner, Flugenten, zwei Kater (Can: Und zwei wilde Katzen).

Mensch, Johannes, das ist ja alles höchst spannend, was du erlebt hast!! Heute bekommen wir regelmäßig von dir leckren rohen Schinken und Cabanossi und du kaufst bei uns ein. Wie läuft das so?
Seit Ende der 90iger Jahre beliefere ich den Bauernladen und komme zwei bis dreimal pro Woche nach Bremen.
Montags bin ich bei Erhard Heimsath im Körnerwall mit meinem Bauchladen voller Wurst und Eiern. Im Winter, also von September bis Mai, wird jeden Monat ein drei Jahre alter Bulle in einer kleinen Schlachterei in Kirchweye geschlachtet.
Am Wochenende danach machen wir im Körnerwall mit den Innereien ein schönes Schlachtfest, schon seit acht oder zehn Jahren.
Das Fleisch hängt zehn Tage ab und wird zerlegt. Ich bring das dann zu den Kunden, es gibt immer viele Bestellungen.
Salami, Schinken und demnächst Bratwurst machen Sven Helms und Stefan Sulingen, Fleischerei Barning.

Wie alt werden denn deine Kühe?
Oh, Anja ist die absolute Chefin (Can: Hier in unserem Bestandsbuch steht es: sie wurde im Februar 1996 geboren),
auch die mit Hörnern haben Respekt vor der Urgroßmutter. Sie hat noch keine grauen Haare! Ein Bulle ist immer bei den Kühen, Wotan, vier Jahre alt. Davor hatten wir einen, der ist 13 Jahre alt und wird demnächst geschlachtet. In diesem Winter hatten wir Glück, dass die meisten Kälber zwischen Dezember und Februar geboren wurden, das ist viel besser als im Sommer. Sie sind den Winter über geschützt hier beim Hof und kommen im Frühling auf die Weide im Hollerland, so dass sie maximal Milch und Futter abkriegen.

Welches Futter bekommen deine Galloways?
Im Winter jeden Tag zwei bis drei Schubkarren Kartoffeln von einem Biobauern aus Sulingen und Heu und Heulage von meinen eigenen Flächen, das sind im Jahr so 200 bis 300 Rundballen. Im Hollerland mach ich das in Kooperation mit einem neuen Biobauern. Ich habe insgesamt 25 Hektar im Hollerland, in Hagen-Grinden, in Felde und Schwarme.

Was machst du sonst noch?
Ich beschäftige mich viel mit Philosophie, Politik, Kulturkritik....1989 lernte ich Ivan Illich kennen. Er hielt an der Uni Bremen bis 2002 Vorlesungen. 1990 haben wir eine Lesegruppe gebildet, die sich bis 2012 gehalten hat. Erhard Heimsath und Kristen Müller waren zwischendurch auch dabei.

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Dass wir nette Leute finden, die hierherziehen und den Hof mit übernehmen. Dann können wir noch mehr leckre Sachen für den Bauernladen machen. Diesen Herbst will ich entlang meines Grundstücks eine Hecke pflanzen. Da wäre es toll, wenn mir aus der EVG Leute helfen!

Renate Richter

Kontakt

Johannes Schettler
27327 Schwarme

 

Bericht

im Bauernladenanzeiger Nr. 15